Wir brauchen eine offene und ehrliche Diskussion

Wir brauchen eine offene und ehrliche Diskussion
19.11.2023

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion im Interview mit der Zeitung "Blick aktuell"

.Sprache ist der Schlüssel", sagt Gordon Schnieder im Interview. Der Politiker, der für eine offene und ehrliche Diskussion beim Thema Migrati­on wirbt, ist seit dem Frühjahr Fraktionsvorsitzender der CDU im rheinland -pfälzischen Landtag. Nun kam er zum Redakti­onsgespräch mit Susanne Tack nach Sinzig.

Sinzig. Die Flut ist jetzt gut zwei Jahr her", beginnt Susanne Tack.
„Wie bewerten Sie den aktuellen Stand?" In vielen Orten entlang der Ahr gestaltet sich die Lage noch immer schwierig",  antwor­tet Gordon Schnieder. Zwar gebe es "Leuchtturmprojekte", doch in einigen Dörfern habe man den Eindruck, dass die Flut erst vor kurzem durchgerauscht sei. Das belastet die Menschen, das merkt man in den Gesprächen vor Ort.

Wie sich die Zustände im Ahrtal auch psychisch auf die Menschen auswirken, mache ihm zudem große Sorgen. Hinzu kämen bürokratische Hür­ den beim Wiederaufbau - bei­spielsweise, was die Schulbauför­derung angebelangt. "Welcher Fördertopf greif für welche Maßnahme? Was kann im alten Stil wiederaufgebaut werden, was muss neu entstehen? Und wer bezahlt es?" 

"Da grätscht die Bürokratie immer wieder rein", weiß Susanne Tack.

Da sei es dann dringende "Aufgabe der Landesregierung", so SChnieder, sich darum zu kümmern, dass solche und ähnliche Bauprojekte endlich zügig vorankommen. Dass es offensichlich immer noch hakt, könne man auch daran erkennen, dass bis heute erst wenige Landesgelder abgerufen wurden. Die Versicherer, so sehr man Ober sie stretien möge, hätten bislang "deutlich mehr Liquidität" ins Tal gebracht.

..woran hakt es denn konkret?" Als Oppositionsführer habe er angemahnt, man brauche Liquidität im Tal... "Das Geld ist doch da", so Susanne Tack. Schnieder bejaht und mahnt die Landesregierung.
„Das Land  muss  den  Menschen im Ahrtal vertrauen, um echte Zukunftsperspektive zu bieten und zu schaffen." Die Versprechen, das alles unbürokratisch erledigt werde, seien nicht eingehalten worden.

Themenwechsel: Wie ist der Zu­stand der Straßen und Brücken in Rheinland-Pfalz? „Vielerorts schlecht!" so Schnieder. Bei der von Susanne Tack angesproche­nen Moseltalbrücke zeigt der Christdemokrat sich überzeugt, dass es richtig war, die Brücke (auf Initiative der CDU) für den Bundesverkehrswegeplan ein­zubringen. Ebenso sei es richtig, die Bundesautobahnen durch die bundeseigene Gesellschaft planen zu lassen, um Verzögerungen durch die Länder zu vermeiden. Bei der kommunalen Infrastruktur hingegen sehe es nicht gut aus. Der Rechnungshof habe festgestellt, dass alleine im Bereich der kommunalen Straßen und Brücken ein sanierungs- und lnvestitionsstau von über 2,5 Milliarden Euro bestehe. Das kriege man nicht aufgelöst, indem man von oben sagt: "macht mal". Die Be­reitstellung einer leistungsfähigen Infrastruktur sei eine Kernaufgabe des Staates. Es bedürfe einer entsprechenden Finanzausstattung durch das Land, "damit Kommu­nen aktiv werden können".

Dörfer, Städte und Gemeinden seien meist gar nicht in der Lage, Investitionen umzusetzen. Vor Ort müssten Funktions- und Man­datsträger oftmals priorisieren - sollen Schulen oder Straßen saniert werden? "In deren Haut will man manchmal wirklich nicht stecken." Schnieder gibt zusätzlich zu bedenken, dass auf diese Weise zudem kein Investitionsstau abgebaut werde, sondern der Stau immer größer werde.

Wie würde es denn die CDU ma­chen? "Geld zur Verfügung stel­len." Das Land habe seit 2017 5,5 Milliarden Überschuss gemacht, rechnet er vor. Aktuell betrage die Rücklage eine Milliarde, fast zwei Milliarden Haushaltsreste lägen vor. "Ich könnte aktuell auf drei Milliarden zugreifen."
Er geht davon aus. dass eben jenes Geld erst im Vorfeld der Landtagswahl „ mit der Gießkanne" verteilt werde. Dann ginge es aber sicher nicht um die Kommunen, sondern um Wählerstimmen.

Susanne Tack:  "Das hören wir immer wieder: Es kommt zu wenig Geld. Was würden Sie anders machen?" Schnieder spricht von "handwerklichen Fehlern der Landesregierung". Aus anderen Län­dern habe sich Rheinland-Pfalz ein System abgeschaut - anhand der Pflichtaufgaben wird dabei ein Mindestbedarf ermittelt. Während andere Länder das System bereits wieder ad acta gelegt oder ausgessetzt hätten, halte diese Landesre­gierung daran fest.

Gordon Schnieder führt weiter aus: Drei Faktoren alleine zeigten, dass die feste Zuteliung an Geldern schon nicht mehr reichen kann. Für den ÖPNV sei vom Land ein Mindestbedarf an 60 Millionen
festgestellt worden. "Die Land­kreise zahlen dieses Jahr 240 Mil­lionen." Im Bereich Migration und Flüchtlinge sei ein Mehrbedarf von 300 Millionen glaubhaft ermittelt worden. Die berechtigten Tarifsteigerungen im Öffentlichen Dienst brauchen in diesem Jahr 100, im kommenden Jahr geschätzt 200 Millionen Euro mehr.
Seine Fraktion habe mit einem Gesetzesentwurf gefordert, viel schneller zu evaluieren (nicht wie im Augenblick nach drei Jahren), ob der Mindestbedarf für dieKommunen ausreichend ist. "Große Verlierer sind die Ortsgemeinden und die Bürgerinnen und Bürger." Denn was folgt aus den fehlenden Geldern? Die Kommunen müssen zwangsläufig die Hebesätze erhöhen. "Das muss man den Bürgerinnen und Bürgern erklären."

Migration: "Wir müssen darüber reden!"

Derzeit in aller Munde ist das Thema Asylrecht. "Wie würde die CDU dasThema angehen?" Seine Partei habe „sehr früh Lösungsvorschläge vorgelegt" . Auch wenn viele Dinge nur auf EU-Ebene gelöst werden können, gebe es auch Maßnahmen, die im Land endlich angepackt werden müssten. Schnieder wird dahingehend deutlich: Bei dieser Problemlage im Land dürfe es „ keine Denkverbote" geben. Zweifelsohne liegt es doch an sog. "Pull-Faktoren", bspw. seien Sozialleistungen für Migranten hier im Land  „deutlich höher als in anderen Län­dern", weshalb Flüchtlinge nach Detschland strömten. ,,Das muss sich ändern." Er habe vorgeschla­gen, Sachleistungen statt Geld auszuzahlen. Nach Kritik, ins­besondere von der FDP, sei nun "Monate später", Bundesfinanzminister Lindner (FDP) auf dieselbe ldee gekommen.

Flüchtlingshilfe und Integrationsarbeit rund um die Uhr - die Kommunen in Rheinland-Pfatz stießen an ihre Belastungsgren­ze. "Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer arbeiten wert über ihren persönlichen Möglichkeiten. Zusätzlich droht vielen Dörfern, Städten und Gemeinden das Geld auszugehen." Schnieder kritisiert, dass trotz alle dem, Flüchtlinge weiter auf die Kommunen verteilt würden, ohne zu wissen, ob sie eine Bleibeberechtigung hätten. Daher sollten endlich erst einmal die Erstaufnahmekapazitäten des Landes ausgebaut werden. Er fordert, die Menschen die maxi­mal mögliche Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen, ,,das sind maximal 18 Monate". Das Land „Rheinland-Pfalz verteilt derzeit aber bereits zwischen sechs Wochen und drei Monaten" , so der CDU-Politiker. Wer hier Schutz sucht und findet, der müsse sich an die Auflagen des Staates halten. Deshalb müsse das Land endlich die Wohnsitzauflage für Migranten umsetzen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind die Monate von September bis November die starken Fluchtmonate. Kommunen stehen „mit dem Rücken zur Wand " und versuchen, Kapazitäten zu erweitern. Pro Woche hätten sich die Zahlen der Flüchtlinge verdoppelt.

Was wird daraus? Gordon Schnieder blickt sorgenvoll auf die Europawahlen im nächsten Jahr. "Der soziale Zusammenhalt muss gewahrt bleiben. Mehr denn je steht auf dem Spiel."

Deshalb: „Wir müssen darüber reden! " Viele Bürgerinnen und Bürger hätten den Eindruck, dass man nicht mehr das sagen dürfe, was man denke. ,,Dabei brauchen wir eine offene und ehrliche Diskussion". Schnieder konkretisiert: Es gebe einen „zugewander­ten Antisemitismus" . Und ja, es gebe auch eine „zugewanderte Messerkriminalität im Land." Wir sehen und hören es doch jeden Tag."
Ob denn Sachleistungen nicht noch mehr Aufwand bedeuten, will Susanne Tack abschließend wissen. Erst einmal ja, so Schnieder. Aber wenn dann die Zuwan­derung nachlasse, lasse auch der Druck nach. 

Anderes Thema: Bürokratieabbau.

"Jeder, der zum Redaktionsge­spräch bei uns ist, verspricht einen Abbau. Aber es "wird jedes Jahr mehr." Das sei ein „ Versprechen, das kaum einer halten kann ", so Schnieder. Auch er ärgert sich über unnötige bürokratische Hürden. Fakt ist, dass in vielen Behörden der Fachkräftemangel angekommen ist. Es fehle schlichtweg Personal, um bürokratische Prozesse abzu­kürzen.

Letzte Frage: Was würde unter eine CDU-geführten Landesregierung deutlich, besser werden? Gordon Schnieder bekräftigt den Anspruch seiner Fraktion, nicht nur zu kri­tisieren, sondern auch  Lösungsvorschläge vorzulegen. So will die CDU die Kommunen finanziell deutlich besser ausstatten. Beim Thema Migration ist die Meinung der Partei bekannt (s.o.). Bei der Bildung gehe die Fraktion  als nächstes die Erzieherausbildung an. Um dem Bildungsauftrag und den An­forderungen des Berufes gerecht zu werden, bedarf es einer Reform der Erzieherausbildung.  Die CDU-Landtagsfraktion schlägt eine verkürzte Ausbildungszeit vor. Schnieder nennt außerdem den Spracherwerb im Kindesalter als essentiell notwendig. Immer mehr rhein­land-pfälzische Schülerinnen und Schüler der neunten Jahrgangsstufe sind schlecht in Deutsch. Die nachlassende Deutschkompetenz der Schulabgänger hat fatale Auswirkungen auf den Berufsweg Betroffener sowie für Ausbildungsbetriebe. Schon jetzt beklagen sich Unternehmen im Land, dass Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungs- und Lehrberufe schlichtweg zu schlecht sind. ,,Sprache ist der Schlüssel, deshalb muss wieder geziel Sprachförderung in den Kitas stattfinden. Wir brauchen mehr Förderkurse im Bereich Deutsch sowie verbindliche Sprachtests vor der Einschulung mit entsprechenden Fördermöglichkeiten für unsere Kinder. Die Beherrschung unserer Sprache ist die wichtigste Voraussetzung für den Bildungs­erfolg unserer Schülerinnen und Schüler. Warum sollen Gymnasi­en nicht auch Praktika vermitteln, um den eigenen Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass es mehr als ein Studium gibt? Oder Katastrophenschutz solle endlich einen Bevölkerungs- und Zivilschutz mitden­ken, ,,der nicht in drei Jahren schon wieder vergessen ist ".

Vielen Dank
für das Gespräch!